Diskriminierung bei Mietersuche – oder wieso ein Vermieter plötzlich Mieter mit wenig Geld sucht

An anderer Stelle (hier nachzulesen) ist die Anwendbarkeit des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Mietrecht das Thema. Dabei zeigte sich, dass es trotz einer möglichen „Beweislastumkehr“ zu Gunsten des diskriminierten Mieters in der Praxis sehr schwer ist, sich wegen der erlittenen Benachteiligung wenigstens ein Schmerzensgeld zu sichern. Denn auch wenn die Indizien nahelegen, dass jemand beispielsweise wegen seines Geschlechts, Alter, Herkunft oder seiner sexuellen Orientierung als Vermieter abgelehnt wird – häufig gelingt es dem Vermieter doch noch, irgendeinen anderen sachlichen Grund für sein Verhalten zu finden. Zumal ein Vermieter auch selten so deutlich sagt, weshalb er jemanden ablehnt wie im Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Köln aus dem Jahre 2009. Da meinte ein Immobilienverwalter zu einer Bewerberin: „An Neger….. äh Schwarzafrikaner und Türken vermieten wir nicht“ (Aktenzeichen 24 U 51/09).

Entsprechend rar sind die Entscheidungen, die einen Mieter für die erlittene Diskriminierung mit Schmerzensgeld entschädigen. Aber zumindest ein weiteres rechtskräftiges Urteil gibt es jetzt wieder, an dem ich als Klägervertreter mitwirken durfte.

1. Was war passiert?

Der Kläger suchte für sich und seine Lebensgefährtin ein Haus zur Miete. Nach einer Besichtigung mit dem Architekten des Hauses als Vertreter des Vermieters waren die beiden die einzigen Bewerber. Alles sah gut aus, man verstand sich blendend. Mit der Vermieterin vereinbarte man schon die Übernahme der Einbauküche.

Zwei Tage gab man den Bewerbern, um sich zu entscheiden. Ein paar Stunden nach der Besichtigung sagten beide: „Ja“. Ein Termin wurde vereinbart, bei dem der Vertrag dann unterzeichnet werden sollte. Alle waren begeistert. Der Architekt, die Vormieterin, die neuen Mieter – nur offenbar nicht die Ehefrau des Vermieters. Denn die – so erfuhr der Kläger – lehnte das junge Paar ab.

Woher der Wind weht, ahnte der türkischstämmige Kläger schon. Ähnliches hatte er schon früher erlebt. Aber ohne konkrete Anhaltspunkte konnte er sich nicht wehren. Also beschäftigte er sich nach dieser Enttäuschung damit, eventuell selbst zu bauen. Deswegen nahm er noch einmal Kontakt mit der Vormieterin auf, um sich nach ihrer Erfahrung mit der speziellen Lüftungskonstruktion des Hauses zu erkundigen.

Vormieterin enthüllt wahren Grund der Absage

Dabei äußerte die Frau auch ihr Bedauern, weil es mit der Anmietung nicht geklappt habe – „…. und dann auch noch aus so einem Grund“.

Hier wurde der Kläger hellhörig und fragte nach. Es stellte sich heraus, dass der Vermieter in einem Telefonat äußerte, er selbst habe ja nichts gegen „die“. Er würde mit „denen“ ja auch zum Fußball gehen. Aber als Vermieter wolle seine Frau „die“ nicht. Dabei wurde deutlich, dass es um die Herkunft der Bewerber ging, wie es auch später von einem Zeugen bestätigt wurde.

Das reichte die Mandanten, um sich an mich zu wenden und mir reichte das, um ein Aufforderungsschreiben zuschicken – für beide Betroffene betrug die Forderung jeweils 2.500 €.

Der Gegner erwiderte, das sei ja ein großes Missverständnis, welches er bedaure – aber zahlen wolle er nicht.

2. Klage vor dem Landgericht Mönchengladbach (Aktenzeichen 11 O 99/15)

Das Gericht sprach den Klägern dann aus § 21 Abs. 2 Satz 1 AGG zunächst einen Schadensersatzanspruch wegen vergeblich aufgewandter Fahrtkosten, den Kosten der vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit und aus § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von insgesamt 5.000 € zu.

Nachträglich weitere Ablehnungsgründe konstruiert

Der Beklagte zauberte nachträglich natürlich jede Menge alternative Ablehnungsgründe aus dem Hut. Zunächst störte es ihn, dass die Bewerber für das Haus nicht verheiratet waren. Und kinderlos. Schließlich wolle man das Haus langfristig vermieten. So eine stabile Lebensplanung traute der Beklagte den Verlobten mit Kinderwunsch nicht zu – dabei waren die Vormieter verheiratet und hatten Kinder. Trotzdem kündigten sie nach wenigen Jahren.

Außerdem stellte sich heraus, dass der Beklagte das Haus kurze Zeit vorher an einen selbstständigen Kleinunternehmer vermieten wollte, der auch ledig war – damit war dem Gericht klar, dass der Grund des fehlenden Ehestatus nur vorgeschoben war.

Zu wenig Geld ist nicht gut, zu viel aber auch nicht

Hört man es schon eher selten, dass Vermieter sich explizit Kinder in der Mietwohnung wünschen, war das zweite Argument noch absurder: Der Bewerber verdiene zu viel Geld. Deswegen sei zu befürchten, dass er sich über kurz oder lang ein eigenes Haus bauen werde.

In der Tat ist der Kläger in einer sehr verantwortlichen Position beschäftigt und erhält dafür ein entsprechend hohes Gehalt. Und es stimmt, dass er vermutlich weitgehend problemlos jederzeit ein eigenes Bauprojekt in Angriff nehmen kann. Trotzdem erschien dem Gericht diese Argumentation dann doch etwas abenteuerlich. „Sie wollen einen solventen Mieter, aber zu solvent soll er auch nicht sein?“, fragte die vorsitzende Richterin skeptisch – im Urteil erhielt diese Argumentation dann das Prädikat „nicht schlüssig“.

Kläger siegt auf ganzer Linie

Somit war für das Gericht die Voraussetzung erfüllt, dass hier eine „Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft bei der Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses“ im Sinne des § 19 Abs. 2 AGG vorlag. Ausschlussgründe gab es nicht, der Anspruch wurde auch innerhalb der nach § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG einzuhaltenden Frist von zwei Monaten geltend gemacht.

Hinsichtlich der Höhe folgte das Gericht dem Klageantrag. Es führte aus, dass es dabei in erster Linie darum gehe, das den benachteiligten Genugtuung widerfahre. Der Beklagte habe den Kläger und dessen Lebensgefährtin herabgesetzt, in dem er sie wegen ihrer Herkunft als Mieter abgelehnt habe. Das Schmerzensgeld diene außerdem der Prävention, um erneute Diskriminierungen zu verhindern.

3. Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen I.5 U 79/16)

Mit dieser Entscheidung wollte sich der Beklagte nicht zufrieden geben. Er legte beim OLG Düsseldorf Berufung ein. Die Taktik war es, die Aussage der „Hauptbelastungszeugin“ zu diskreditieren, da sie an einigen (unwichtigen) Stellen Dinge verwechselt und sich in der Zeit vertan hatte.

Nach dem Motto „Neue Richter – neues Glück“ kann man leider nie ganz ausschließen, dass so etwas tatsächlich mal funktioniert. Bei der Kammer des OLG bis der Vermieter jedoch auf Granit. Die behaupteten Unregelmäßigkeiten in der Aussage der Zeugin wertete das Gericht gerade als Hinweis auf besondere Glaubwürdigkeit. Das Urteil des Landgerichts wurde vollständig bestätigt.

4. Auswirkung auf die Praxis

Es kann nicht oft genug betont werden, dass ein Mieter, der wegen Herkunft, Alter usw. eine Wohnung nicht bekommt, einen großen Vorteil gegenüber anderen Anspruchstellern in der Praxis hat – denn er muss gar nicht beweisen, dass er tatsächlich wegen einem der in AGG genannten Gründe die Wohnung nicht bekommen hat. Er muss lediglich Indizien beweisen, die diesen Schluss nahelegen. Ist diese „Hürde übersprungen“, muss der Gegner beweisen, dass er den Mieter nicht nach AGG benachteiligt.

Nun wird man nicht immer das Glück haben, dass man einen Zeugen hat, dem gegenüber ein Vermieter den wahren Grund der Benachteiligung bestätigt. Aber sobald man beispielsweise erfährt, dass bereits im Vorfeld nur Interessenten mit Namen, die auf eine bestimmte Herkunft schließen lassen, zugelassen oder aussortiert wurden, kann das u.U. auch schon reichen, um einen Anspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu begründen.

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles, Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.