Atuelles Urteil aus Dortmund: Die Luft wird dünner – Rauchen nur noch nach Stundenplan

Wenn geraucht wird, gibt es häufig dicke Luft – nicht nur im buchstäblichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Regelmäßig wehren sich Nichtraucher über das Mietrecht gegen ihre qualmenden Zeitgenossen und da wird die Luft für jene langsam dünn. Raucher geraten aber nicht nur in gemieteten, sondern auch in ihren eigenen vier Wänden zunehmend unter Druck.

Gerichte schränken „Raucherschutz“ vor allem im Mietrecht weiter ein

Grundsätzlich gilt zwar immer noch, dass das Rauchen als „sozialadäquat“ von der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst und damit sogar durch das Grundgesetz geschützt ist. Aber schon seit einigen Jahren „sägen“ Gerichte vor allem in Mietangelegenheiten an diesem Recht. So stellte das Landgericht Hamburg bereits fest, dass es zwar im Grundsatz erlaubt sei, sowohl in der Wohnung als auch auf dem dazugehörigen Balkon zu rauchen – wenn aber Rauch in erheblichem Maß in eine andere Wohnung zieht und sich deswegen ein nicht rauchender Nachbar dadurch gehindert fühlt, seine Wohnung zu lüften, dann berechtigt dies den Nachbarn zu einer Minderung der Gesamtmiete um 5 % (LG Hamburg, Urteil vom 5. Juni 2012 – AktZ. 311 S 92/10)

Große mediale Aufmerksamkeit erlangte auch der rauchenden Rentner Friedhelm Adolfs, der von seinem Vermieter nach 40 Jahren die Kündigung bekam, weil er in seiner Wohnung rauchte und nicht durch Fenster, sondern ins Treppenhaus lüftete. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Düsseldorf bestätigten die Kündigung. Das Landgericht bewertete es als einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Mietvertrag, weil er durch das „Ablassen“ des Rauchs die Geruchsbelästigung im Flur gefördert habe (LG Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2017 – AktZ. 21 S 240/13).

Auch Nachbarn in Eigenheimen müssen Rücksicht nehmen

Nicht nur in Mietshäusern wohnen viele Menschen auf engem Raum, sondern zuweilen auch, wenn es sich um die eigene Immobilie handelt. Für Wohneigentumsanlagen liegt das auf der Hand. In einem aktuellen Fall des Landgerichts Dortmund ging es aber um Eigentümer von nebeneinanderliegenden Reihenhäusern, also um Eigentümer von nicht nur anteilsmäßigen, sondern tatsächlich eigenem Grund und Boden.

Hintergrund war, dass die Beklagten mehrmals am Tag auf ihrer Terrasse und in ihrer Küche rauchten. Wie viel genau, konnte nicht geklärt werden. Ganz wenig dürfte es nicht gewesen sein, denn eine Zeugin sagte aus, innerhalb von 43 min ca. sechs Zigaretten gezählt zu haben (gemessen anhand des Geräusches, welches ein Feuerzeug verursacht, wenn eine Zigarette entzündet wird). Diese und weitere Aussagen reichten dem Gericht aus, einen „beachtlichen Zigarettenkonsum zu erkennen“.

Auch die Frage, ob die Nachbarn tatsächlich durch das Rauchen belastet sind, beantwortete das Landgericht nach den Aussagen mit „Ja“. Die Amtsrichterin in der Vorinstanz hatte sich noch persönlich durch das Haus „geschnuppert“ und den ihr zugeteilten Rechtsreferendar in der Küche der Beklagten vor der Lüftung rauchen lassen.

Unterlassungsanspruch gegen allgemeine Handlungsfreiheit = Stundenplan für Raucher

So kommt das Gericht dazu, den nichtrauchenden Nachbarn einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB zuzuerkennen, weil die Rauchimmissionen ihn über das erlaubte Maß hinaus beeinträchtigen. Allerdings wird dieser Unterlassungsanspruch wiederum durch das eingangs bereits erwähnte verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz verbürgte Recht, mit ihrem Grundstück nach Belieben zu verfahren, begrenzt.

Deswegen hat sich das Landgericht einen „Stundenplan“ ausgedacht, um die Interessen der Raucher und der Nichtraucher gleichermaßen zu berücksichtigen. Danach dürfen die Beklagten nur noch zwischen 3:00 Uhr und 6:00 Uhr, 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr und von 15:00 Uhr bis 21:00 Uhr auf ihrer Terrasse rauchen. Wird außerhalb dieser Zeiten geraucht, droht ein Ordnungsgeld (LG Dortmund, Urteil vom 08.06.2017 – AktZ. 1 S 451/15)

Anwaltstipp: Ob die Regelung des Landgerichtes tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist, wird vermutlich sowohl von Rauchern als auch von Nichtrauchern bezweifelt werden. Aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass andere Gerichte dieser Rechtsprechung folgen – vergleichbare Stundenpläne für das Grillen auf dem Balkon haben sich ebenfalls durchgesetzt.

Als Raucher ist man daher gut beraten, nicht allzu störrisch die „auf-meinem-Grund-und-Boden-mache-ich-was-ich-will“-Karte zu spielen. Kritik von Nachbarn sollte konstruktiv aufgenommen werden, indem man sich überlegt, wie man diese vom Qualm entlastet. Denn einfach so kann einem natürlich niemand das Rauchen auf dem eigenen Grundstück verbieten – es muss immer eine erhebliche Belastung, bzw. eine Störung der Nachbargrundstücke vorhanden sein.

Aber „es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ – in diesem Fall ist es für jede Seite sinnvoll, sich möglichst frühzeitig rechtlich beraten und den Streit nicht zu sehr eskalieren zu lassen. Die frühzeitige Dokumentation der Vorkommnisse hilft dabei, eigene Ansprüche durchzusetzen oder Forderungen abzuwehren.

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