Hilfsweise Kündigungen im Wohnraummietrecht unwirksam?

Hiermit kündige ich das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ – eine solche Kündigung erhalten Mieter regelmäßig, wenn sie mit ihren Zahlungen mehr als zwei Monatsmieten im Rückstand sind und der Vermieter sich auch nicht mehr damit zufrieden gibt, wenn er später doch noch Geld erhält. Denn die fristlose Kündigung wird regelmäßig unwirksam, wenn der ausstehende Betrag doch noch gezahlt und der Vermieter insoweit befriedigt wird, §§ 543 Abs. 2, 569 Abs. 3 BGB.

Wenn der Vermieter seinen Mieter trotzdem loswerden will, ist es deswegen üblich, den Mieter gleich mit der fristlosen Kündigung noch einmal „hilfsweise“ im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu kündigen. Denn es liegt dann zwar kein für die fristlose Kündigung notwendiger „wichtiger Grund“ vor (§ 543 BGB), aber im Normalfall trotzdem noch eine „nicht unerhebliche Pflichtverletzung“, die gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB für eine ordentliche Kündigung ausreicht.

Verwalter, Vermieter und deren Anwälte müssen jetzt aufpassen

So war es jedenfalls bisher immer. Jetzt aber könnte das Landgericht Berlin vielleicht den Anstoß dazu gegeben haben, dass Vermieter, Verwalter und Anwälte diese Praxis ändern müssen. Hintergrund des Falles war genau die oben beschriebene Konstellation: Der Mieter war mit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug. Es wurde fristlos gekündigt und „rein vorsorglich und hilfsweise“ auch fristgemäß wegen der erheblichen schuldhaften Verletzung vertraglicher Verpflichtungen. Der Mieter zahlte daraufhin die Mieten nach und verließ die Wohnung nicht. Darauf erhob der Vermieter Räumungsklage, weil er ja für diese Situation vorsorglich die ordentliche Kündigung erklärt hatte.

Das Amtsgericht Pankow/Weißensee (Urteil vom 30. März 2017 – 102 C 333/16) berechnete zwar den Zeitpunkt für die Räumung anders, gab dem Vermieter aber grundsätzlich recht. Der Mieter sollte raus.

Wenn fristlos gekündigt wird, gibt es keinen Vertrag, der noch einmal gekündigt werden kann

Das Landgericht hatte in der Berufung dann aber eine neue Idee, mit der es vielleicht die jahrzehntelange Praxis bei Kündigungen über den Haufen wirft. Denn schließlich sei ja fristlos gekündigt worden und damit wurde das Mietverhältnis zunächst einmal beendet. Die hilfsweise ordentliche Kündigung ging deshalb ins Leere, weil man schließlich ein bereits beendetes Mietverhältnis nicht noch einmal beenden kann.

Später sei die Wirkung der fristlosen Kündigung dann zwar durch die nachträgliche Mietzahlung entfallen, die fristlose Kündigungserklärung aber sei damit trotzdem noch in der Welt. Die hilfsweise ordentliche Kündigung – zum gleichen Zeitpunkt erklärt wie die fristlose Kündigung – bleibt daher ohne Wirkung. Ergebnis: Der Mieter muss seine Wohnung nicht räumen, das Urteil des Amtsgerichtes wurde abgeändert, LG Berlin, Urteil vom 13. Oktober 2017 – 66 S 90/17.

Bundesgerichtshof sieht das Thema bisher noch anders

Das Landgericht störte sich dabei auch nicht daran, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bisher keine Probleme mit hilfsweisen Kündigungen hatte – es bemerkt dazu lediglich, der BGH habe sich mit mit dem Argument der Berliner Richter noch gar nicht auseinandergesetzt.

Anwaltstipp: Man darf also gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht. Ob sich Gerichte außerhalb von Berlin diese Sichtweise zu eigen machen, bleibt abzuwarten. Sicherheit in dieser Frage wird es wohl erst dann geben, wenn der BGH Gelegenheit hatte, sich mit der neuen Argumentation auseinanderzusetzen. Vermietern ist jedenfalls zu raten, unmittelbar nach Ausgleich der Mietschulden sicherheitshalber noch einmal eine ordentliche Kündigung „hinterherzuschieben“. Mieter dagegen haben – jedenfalls in Berlin – jetzt bessere Chancen, sich erfolgreich gegen eine Räumung zu wehren, wenn sie ihre Mietschulden rechtzeitig beglichen haben.

Sind Sie Vermieter und wollen ihren Mieter rechtssicher kündigen oder haben Sie als Mieter eine Kündigung erhalten oder gar eine Räumungsklage? Bei Fragen rund um das Thema Kündigung, egal ob ordentlich oder außerordentlich, stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

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